Netzausbau – Das meint die Wissenschaft

02.11.2016 18:37 von Gerd Hündorf

Im September 2016 trafen sich auf Einladung der Bundesnetzagentur in Bonn namhafte Wissenschaftler, die zum Stromnetzausbau forschen. Der wissenschaftliche Austausch soll den Transfer neuer Forschungsergebnisse in die Praxis fördern. Einer der Workshops befasste sich mit dem Thema: „Szenarien und Lösungen für die Herausforderungen der Energieversorgung 2050“. Referenten der Impulsvorträge waren Prof. Dr. rer. nat. Dirk Uwe Sauer (RWTH Aachen), Dr. Stefan Bofinger (Fraunhofer IWES Kassel) und Dipl.-Ing. Dominic Nailis (BET Aachen).

Backcasting statt Prognose


Sie stellten fest, dass der gesamte derzeitige Netzentwicklungsplan nicht die wahrscheinlichen zukünftigen Entwicklungen berücksichtigt. Zudem wurden nicht von Anfang an alle ökonomisch vernünftigen Möglichkeiten zur Beschränkung des Netzausbaus einbezogen, wie z.B. Abregelung von Einspeisespitzen, Lastmanagement, gezielte Standortwahl für neue Kraftwerke und innovative Betriebsmittel.
Mittlerweile entwarfen Wissenschaftler alternative Szenarien bis 2050, und zwar auf der Basis von Dezentralisierung (dass nur so die Energiewende erfolgreich sein kann, steht wissenschaftlich außer Frage), Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Bürgerakzeptanz und Vermeidung neuer Höchstspannungstrassen. Ziel ist die Erforschung und Entwicklung eines flexiblen Stromnetzes, das eine sichere, bezahlbare Energieversorgung mit einem hohen Anteil an dezentralen und erneuerbaren Energiequellen in der Zukunft gewährleistet.
Methodisch wird dazu der Zielzustand angenommen, im Jahre 2050 sei eine naturverträgliche Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien erreicht. Von dieser Annahme aus wird rückblendend der aktuell notwendige Handlungsbedarf abgeleitet. Im Gegensatz zu gängigen Verfahren, die eine Fortschreibung des gegenwärtigen Trends in Form von Prognosen verfolgen, ermöglicht diese Methode („Backcasting“) genau diejenigen Entwicklungspfade zu bestimmen, die notwendig und auch möglich sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen.


Flexibilitätsmanagement als Schlüsselfunktion


Das flexible Hin und Her zwischen Einspeisung, wenn Energie gebraucht wird, und Eigenverbrauch, wenn das Netz ausgelastet ist, ist wichtig: So brauchen wir weniger neue Leitungen, stabilisieren die Preise und verschenken keine Energie, die wir nutzen könnten. Das ist keine Frage der Technik mehr – nachhaltige Energiequellen und neue elektronische Leistungswandler sind heute technisch und wirtschaftlich einsetzbar. Auch das Speicherproblem ist technisch gelöst. Die Kostenfrage ist noch offen.
Flexibilität wird zu einem Schlüssel des Energiesystems der Zukunft. Als schon funktionierendes Beispiel für das „Demand- Response“ - Prinzip sei das Energiemanagement der Paulaner Bierbrauerei genannt: Diese hat sich mit anderen Industriebetrieben vernetzt; ein Energiemanagementunternehmen koordiniert Bedarf und Stromüberschuss der beteiligten Firmen so, dass eine Art virtuelles Kraftwerk entsteht.

Diese beim Wissenschaftsdialog vorgestellten Szenarien und Erkenntnisse wollen wir Ihnen im Rahmen unserer Informations- und Diskussionsreihe „Energie im Fokus“ ausführlich präsentieren und diskutieren. Wir werden Sie zeitnah dazu einladen. 

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